Kommentar

Artikel 148: Wieder mal Milch-Theater

Das Melkkarussell läuft rund, die Milchpolitik nicht: Die Lieferbeziehungen sind ein Zankapfel in Politik und Verbänden.

Die einen erwarten höhere Milchpreise, die anderen prophezeien Millionen-Kosten: Die Meinungen zu verbindlichen Milchlieferverträgen liegen weit auseinander. Und während sich die Branche einen hitzigen Schlagabtausch leistet, schafft die Realität Fakten: Zermürbt von viel Arbeit, immer höheren Auflagen sowie Kosten und unsicheren Perspektiven schmeißen Milcherzeuger hin – auch motivierte Hofnachfolger. Können staatliche Vorgaben zu den Milchlieferbeziehungen das stoppen?

Agrarministerium für Artikel 148

Cem Özdemir und sein Bundesagrarministerium sind davon überzeugt. Sie wollen deshalb den Artikel 148 der Gemeinsamen Marktordnung national umsetzen. Es wirkt, als ginge der Grünen-Minister dabei mit einer vorgefertigten Meinung vor. Denn das Abstimmungsergebnis der Milchkonferenz von August 2023, auf der sich eine Mehrheit gegen den Artikel 148 ausgesprochen hat, ignorieren Özdemir und seine Staatssekretärinnen. Genau wie Bedenken aus Wirtschaft und Wissenschaft. Stattdessen legen sie einen Verordnungsentwurf vor: Jede Molkerei muss ihren Lieferanten für 80 % der Milchmenge einen schriftlichen Vertrag mit Preis und Menge bieten.

Politik gespalten

Wie das im Detail funktionieren soll, ist unklar. Aber es gibt Unterstützung – von einem ungewöhnlichen Bündnis: AbL, LsV, BDM und Freie Bauern bekräftigen die staatlich verordneten Verträge, wenngleich sie auf 100 % Milchmenge pochen. Der Bauern-, Raiffeisen- und Milchindustrie-Verband sind strikt dagegen.

Genau diese Differenzen sind auch in die Politik geschwappt: Innerhalb der Ampelkoalition bremst die FDP den Entwurf. Ob aus fachlichen oder taktischen Gründen, sei dahingestellt – auf jeden Fall ist unberechenbar, wie die angeschlagene Partei weiter verfährt. Die CDU/CSU-Agrarminister der Bundesländer haben sich schonmal klar gegen den Artikel 148 ausgesprochen.

Kurzum: Es gibt mal wieder ein Milch-Theater wie in besten Quotenzeiten. Und die Gefahr ist groß, dass am Ende des Geschachers eine vermurkste Verordnung herauskommt, die kaum etwas bringt, aber viel Frust erzeugt – auf allen Seiten. Wie könnte sich das noch verhindern lassen?

Zusammen stärker

Die Verbände sollten sich zusammenraufen. Die Befürworter des 148ers brauchen mehr Realismus, die Kritiker weniger Beharrlichkeit. Und so utopisch es auch klingt: Wenn sie eine geschlossene Position gegenüber der Politik vertreten, können sie für alle mehr rausholen. Das gilt für den strittigen 148er. Aber vor allem für Themen, bei denen es mehr Schnittmengen gibt. Wie attraktivere Prämien fürs Grünland. Oder schärfere Auflagen für den Lebensmittelhandel. Die Politik sollte das annehmen – unvoreingenommen. Und die Molkereien? Sie sollten die Wünsche einiger Erzeuger nach anderen Lieferbeziehungen ernst nehmen. Mehrere Unternehmen haben diese bereits angepasst, sie bieten Festpreise oder unterstützen bei der Börsenabsicherung. Das machen aber längst noch nicht alle Molkereien.

Fazit: Die Milchbranche setzt sehr viel Energie darein, ihre Differenzen beim Artikel 148 klarzumachen. Würde sie die Energie in gemeinsame Punkte stecken, wäre den Bauern mehr geholfen.

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