Entspannt manövriert Tobias Kip seinen Aufsitz-Futteranschieber durch den ersten Stall. „Bis zu fünfmal am Tag schiebe ich das Futter an“, berichtet der 27-Jährige. Kip ist ein Pionier. Die Aufzucht von Fressern ist zwar nichts Neues, die Aufzucht im Lohn schon – zumindest in Deutschland. Was in den Niederlanden schon viele Jahre gang und gäbe ist, findet hierzulande bisher nur wenig Verbreitung.
Da überrascht es nicht, dass Kip selbst niederländische Wurzeln hat. Sein Vater Gerhardus kaufte 1992 unweit der elterlichen Hofstelle in Denekamp auf deutscher Seite einen Betrieb. Den Lebensmittelpunkt hat Familie Kip seither in Niedersachsen. Hier wuchs Tobias auf, absolvierte eine landwirtschaftliche Lehre, legte die Prüfung zum staatlich anerkannten Landwirt ab und trat in die Fußstapfen seines Vaters.
Was die zwei unterscheidet: Während sich Gerhardus Kip von Kindesbein für die Schweinemast interessierte, fand Sohn Tobias mehr Gefallen an der Kälbermast: „Kälber sind einfach abwechslungsreicher.“ Nach und nach wurden die vorhandenen Schweineställe – verteilt auf mehrere Standorte – zu Kälbermastställen umfunktioniert. 2014 dann der Erwerb einer weiteren Hofstelle in Wielen (Landkreis Grafschaft Bentheim). Hier erfüllte sich der Junior mit dem Bau zwei neuer Ställe für 500 Fresser einen Lebenstraum. Insgesamt bewirtschaftet das Duo 135 ha mit 1200 Aufzuchtplätzen.
Komplett mit Gummibelag
Ursprünglich hatte Kip vor, in den Neubauten Kälber für die Rosémast zu halten. Um Anregungen zu sammeln, war das Vater-Sohn-Gespann häufig in den Niederlanden unterwegs. Immer wieder trafen sie Kollegen an, die im Lohn Kälber für die spätere Mast aufziehen. Und wie der Zufall so will, kam Kip im März 2021 – bereits mitten in der Stallplanung – mit der Raiffeisen Viehvermarktung GmbH (RVG) in Ennigerloh ins Gespräch. Die wiederum suchte Betriebe, die für sie im Lohn Fresser aufziehen. Kurzerhand warf Kip seine eigentlichen Gedanken über Bord und ließ sich vom Angebot der RVG überzeugen.
Seite an Seite sind die Ställe errichtet. „Mir war eine einfache Bauweise, die gut funktioniert, wichtig“, berichtet Kip. Vieles konnte er in Eigenleistung erledigen. Wasserleitungen sowie das Verlegen der Spalten und das Montieren der Gummimatten übernahm er in Eigenregie.
Apropos Gummimatten: Kip entschied sich für die 100%ige Auslegung des elastischen Bodenbelages. Zwar fordert das Gesetz nur eine Teilauslegung, doch Kip wollte kein Risiko eingehen: „So schnell wie sich die Regeln dazu ändern, fand ich es sinnvoller, direkt die komplette Fläche mit Gummimatten zu versehen.“ Mit der damaligen Investition von 60 €/m2 weiß Kip sich heute glücklich zu schätzen – denn die Preise für Gummiböden sind in den vergangenen zwei Jahren rasant gestiegen.
Zudem war es Kip ein Anliegen, den Tieren viel frische Luft im Stall zu gewähren. Isolierte Lichtplatten über dem Futtertisch sorgen für Tageslicht. 16 Abteile befinden sich pro Stall, in jeder Bucht können bis zu 16 Tiere aufgestallt werden. Schwenkbare Tore und die Möglichkeit, jede Bucht einzeln abzutrennen, erleichtern die Arbeit und das stressfreie Sortieren.
500 Starter aus einer Hand
Doch wie funktioniert die Lohnaufzucht? Kip lächelt. „Im Grunde genommen ist es ganz einfach.“ Was ihn von anderen Aufzüchtern unterscheidet: Das Tiermaterial wird komplett von seinem Partner „gestellt“ und gehört der RVG. Kopfzerbrechen über die Auswahl der Rasse oder woher die Starter stammen, braucht er sich nicht zu machen.
Im August 2022 wurde der Stall erstmalig belegt. Auch hier gibt es eine Besonderheit: Kip erhält alle Fleckvieh-Jungtiere von einem Aufzüchter, der die Milchphase betreut. Im Umkehrschluss bedeutet das homogene Gruppen und Tiere, die sich schon länger „kennen“. Die Ansteckungsgefahr bedingt durch zusammengetrommelte Tierpartien ist somit nicht vorhanden.
Digital unterwegs
Bei Kip angekommen, werden die etwa 135 kg schweren Starter-Kälber nach Größe sortiert. Auch das – sowie der Transport zum Betrieb – wird von Mitarbeitern des Partners übernommen. Die Umstellung auf „feste Nahrung ohne Milch“ liegt wiederum in Kips Verantwortung. Allerdings ist er verpflichtet, sich an ein vorgegebenes Fütterungs-Schema zu halten. In diesem Fall ist „Profarm“ der alleinige Futtermittellieferant. Dabei handelt es sich um einen neutralen Futtermittelhandel ohne Lagerhaltung, der in Zusammenarbeit mit Futtermittelwerken Mischungen zusammenstellt.
Die Beschaffung der Futtermittel und die Erstellung der Rationen setzt Profarm der RVG in Rechnung. Dabei besteht die Ration bei Kip aus Körnermais und Stroh (300 bis 400 g/Tier/Tag) sowie Kraftfutter. Anfänglich enthält dieses 17 % Eiweiß. Alle zehn Tage wird der Eiweißanteil um 2 % erhöht. Für Silomais (Anbau, Ernte, Silieren) ist der Betriebsleiter zuständig. Täglich vor dem Befüllen des Mischdosierwagens wird die verfütterte Maismenge gewogen und am Monatsende mit der RVG abgerechnet.
Ähnlich verhält es sich mit dem Tierarzt. Die Kosten für Einstall-Metaphylaxe, Parasitenbekämpfung, Impfungen oder außerplanmäßige Behandlungen liegen beim Vertragspartner. Die Wahl des Tierarztes wird je nach Region mit dem Aufzüchter abgestimmt. Um bei der Bestandsführung Hilfe zu leisten, stellt die Viehvermarktungs GmbH einen Mitarbeiter. Zu seinen Aufgaben gehört unter anderem das Einscannen von Tierpässen, da sich mit dem Einstallen der Rinder bei Kip die VVVO-Nummer ändert. Mit einer neuen App namens „VetVet“ werden zudem alle Tiere anhand ihrer Ohrmarke erfasst. In dem Verwaltungsprogramm können auch Gewichte, Medikamentenbelege sowie Einzeltier-Daten hinterlegt werden. Die „digitale Kette“ vom Kalb bis zum Schlachthof soll anhand dessen gesichert werden und als Grundlage für spätere Auswertungen dienen.
Für Anreize gesorgt
Nach ausführlichem Stallrundgang steuert Tobias Kip wieder Richtung Futteranschieber. Die Fresser im zweiten Stall warten bereits auf die „Wiedervorlage“ ihrer Ration. Die weißen Köpfe schwenken unisono in Richtung Stalltor, als sie Kips Stimme und das bekannte Motorgeräusch hören.
Bevor er sich auf das Gerät schwingt für die nächste Tour entlang des Futtertisches noch die alles entscheidende Frage der Vergütung. Wie hoch ist der Lohn? „Konkret wird sich da kein Aufzieher zu äußern.“ Mit dem jetzigen Vertrag hat er sich zwei Jahre gebunden, ein Jahr wäre das Minimum gewesen. Danach wird neu verhandelt. Der Preis pro Platz steht, eine feste Vergütung monatlich bezahlt. Am Ende jedes Durchganges werden hohe Leistungen (ab 1100 g Tageszunahmen) und geringe Verluste (unter 2 %) zusätzlich honoriert.
Im ersten Durchgang lag Kip mit 1320 g Tageszunahmen und 0,52 % Verlust auf einem sehr hohem Niveau. Das verschafft einen Anreiz. Für den Praktiker ist allerdings die Tatsache, dass diese Form der Aufzucht quasi ohne Risiko läuft, seine Hauptmotivation. Auch Marktschwankungen bekommt er nicht zu spüren. Und seine Planungssicherheit ist gegeben. „Das Risiko liegt bei meinem Vertragspartner, in guten und in schlechten Zeiten“, betont Kip.
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